Baufinanzierung bei Filialbanken:
Unvollständige Erfassung der Finanzsituation trotz Immobilienkredit-Richtlinie

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Ausgerechnet für die Ermittlung des Finanzierungsbedarfs ihrer Kunden nehmen sich die Berater in den Bankfilialen vor Ort nicht ausreichend Zeit, ergab eine Analyse der Beratungsqualität durch S.W.I. FINANCE bei acht Filialbanken im Auftrag des Handelsblatts. Seit der Verschärfung der Vergaberichtlinien bei Baufinanzierungen durch die Immobilienkredit-Richtlinie verbesserte sich die Bedarfsanalyse zwar leicht, insgesamt besteht jedoch weiterhin ein hohes Verbesserungspotenzial.
Hamburg 10.01.2017

Mit der Einführung der Immobilienkredit-Richtlinie Anfang 2016 und der damit zusammenhängenden Verschärfung der Vergaberichtlinien ist die Unsicherheit auf Kundenseite gestiegen. Kann die gewünschte Baufinanzierung genehmigt werden? Durch die neue Richtlinie muss die Bonität bei Abschluss über die gesamte Kreditlaufzeit überprüft werden und die Abfrage der Finanzsituation daher noch sorgfältiger erfolgen. Für die Banken hat dies zur Folge, dass Kundenbetreuer zusätzlich zur ohnehin komplexen Beratung dem erhöhten Informationsbedürfnis der Interessenten gerecht werden müssen. Die Beratungsqualität gewinnt vor diesem Hintergrund an Bedeutung.

Im Auftrag des Handelsblatts analysierte S.W.I. FINANCE zwischen März und November 2016 die Baufinanzierungsberatung der sechs größten bundesweit aktiven Filialbanken sowie der größten Sparkasse und Volksbank. Im Fokus der Analyse standen die Beratungsqualität in den Filialen vor Ort sowie die Bearbeitung von Anfragen über die Kontaktkanäle Telefon und E-Mail.

In den ausführlichen Gesprächen vor Ort überzeugten die Mitarbeiter zwar durch Fachkenntnisse und Beratungskompetenz. Als Schwachstelle stellte sich jedoch weiterhin die Ermittlung des Finanzierungsbedarfs heraus, die die Basis einer kundenorientierten Beratung bilden muss – und durch die Immobilienkredit-Richtlinie an Relevanz gewonnen hat. Zwar befassten sich die Berater im Vergleich zum Vorjahr intensiver mit der Erhebung der Kreditwürdigkeit, blieben aber dennoch zu sehr an der Oberfläche. Die Einkommenssituation der Kunden wurde in 40 Prozent der Gespräche nicht vollständig erfasst. Haushaltsausgaben erfragten über die Hälfte der Berater nicht umfassend, sondern veranschlagten stattdessen einen Standardsatz. Das individuelle Konsumverhalten konnte so nicht berücksichtigt werden. Immerhin gelang es den Banken gut, den Kunden ihre Unsicherheit bzgl. Der neuen Richtlinie zu nehmen. Insbesondere Institute, die bereits vor ihrer Einführung mit einer guten Beratungsqualität überzeugten, gingen aktiv und ausführlich auf die Kunden ein.

Von einer ausführlichen Bedarfsermittlung, auf deren Grundlage eine individuelle Beratung möglich war, profitierten Kunden hingegen bei der Commerzbank. Das Institut bot die beste Beratungsqualität vor Ort und ging so auch insgesamt als Sieger aus der Studie hervor. Bei der Bearbeitung von E-Mail-Anfragen muss das Institut jedoch – ebenso wie seine Mitbewerber – deutlich nachbessern. Die Anliegenbearbeitung via Telefon und E-Mail fiel insgesamt oberflächlich und zu wenig individuell aus. Die Banken verwiesen häufig auf die Beratung vor Ort und verpassten damit die Gelegenheit, Kunden bereits an dieser Stelle vom eigenen Institut zu überzeugen.

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