Wie KI Ihr Denkvermögen verändert, ohne dass Sie es merken

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E-Mails schreiben, Alltagsprobleme bewältigen, Texte zusammenfassen und nebenbei Lieder schreiben – KI macht`s möglich. Und das ist nur ein kleiner Teil der Aufgaben, die KI mittlerweile abnehmen kann. Aber ist so eine Erleichterung nicht eine Riesenhilfe? Wer schreibt schon gerne Mails oder liest ewig lange Texte? Zeitsparend sind Chatbots allemal.

Aber was machen sie mit unserem Gehirn?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wurde die Studie „Your Brain on ChatGPT“ vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) unter der Leitung von Dr. Nataliya Kosmyna durchgeführt. 54 junge Erwachsene wurden hierfür in drei Gruppen geteilt, um Essays zu schreiben- mit verschiedenen Hilfsmitteln:

  • Gruppe 1: durfte ein KI-Sprachmodell (ChatGPT) nutzen
  • Gruppe 2: verwendete klassische Suchmaschinen wie Google
  • Gruppe 3: arbeitete ganz ohne technische Unterstützung

Die Gehirnaktivität der Teilnehmenden wurde während der drei 20-minütigen Sitzungen mithilfe von Elektroden gemessen. Die Unterschiede sind klar:

  • Die Gruppe ohne technische Unterstützung hat bei der Bearbeitung die höchste geistige Gehirnaktivität – neuronale Netzwerke werden verknüpft und Hirnareale arbeiten zusammen.
  • Die Gehirnaktivität der Gruppe, die Suchmaschinen verwendet, ist im Mittelfeld. Sie müssen zwar nach relevanten Quellen filtern, eigene Gedanken werden jedoch nicht entwickelt.
  • Mit Abstand die geringste Gehirnaktivität lässt sich bei der Gruppe mit KI-Unterstützung verzeichnen. Die neuronalen Vernetzungen nehmen sogar ab. Über die Zeit zeigt sich ein nachlassendes Gedächtnisvermögen. Die Texte, die mit KI erstellt wurden, sind nicht nur einfallsloser, 80% der KI-Gruppe kann sich im Nachgespräch kaum an den erstellten Text erinnern, geschweige denn Nachfragen beantworten.

In der letzten Runde wurden die Hilfsmittel zu einer bereits bearbeiteten Essay-Idee getauscht. Teilnehmende, die zunächst ohne Hilfsmittel gearbeitet hatten, profitierten beim Einsatz von KI: Sie konnten ihren Essay verbessern und sinnvoll ergänzen. Umgekehrt fiel es der ursprünglichen KI-Gruppe schwer, ohne digitale Hilfe zu schreiben. Die Gehirnaktivität war weiterhin reduziert und das Erinnerungsvermögen schwach.

Was bedeutet das für unseren Alltag?

Unreflektierte, dauerhafte KI-Nutzung bedeutet vor allem eines: Eine geringe Gehirnaktivität und auf lange Sicht abgeschwächte analytische und kreative Fähigkeiten. Besonders bei Kindern und Jugendlichen sollte auf eine verantwortungsbewusste Verwendung geachtet werden. Ihre Gehirne müssen noch trainiert und neue Inhalte eigenständig verarbeitet werden. Wer regelmäßig Aufgaben an KI abgibt, trainiert das eigene Denken und Erinnern immer weniger.

Das heißt aber nicht, dass KI grundsätzlich schädlich ist. Sie kann Arbeit erleichtern und z.B. Texte verbessern. Der Schlüssel liegt hierbei aber darin, sich erst selbstständig Gedanken zu machen, bevor KI eingesetzt wird. So erhält man nicht nur die besten Ergebnisse (siehe Studie), man beansprucht auch mal die eigene Gehirnleistung.

Digitale Demenz: Realität oder Mythos?

Der Begriff der digitalen Demenz wurde durch den Hirnforscher Manfred Spitzer bekannt. In seiner Veröffentlichung „Digitale Demenz- wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“ schreibt er, das Gehirn sei im permanentem Stresszustand und habe keine Zeit zum Abspeichern von Wissen. Die Forschungslage dazu ist jedoch uneinheitlich. Es gibt mittlerweile auch Studien, die einen positiven Effekt im Umgang mit digitalen Geräten zeigen. Doch auch, wenn der Begriff Meinungen spaltet, ist klar:

Das eigene Wissen und der Denkprozess wird immer mehr ausgelagert (Cognitive Offloading). Es fängt an bei Adressen und Nummern, die mittlerweile jeder in seiner Kontakt-App abgespeichert hat und geht bis hin zu Lösungsansätzen, die nicht mehr eigenständig, sondern mit KI entwickelt werden. Die Merkfähigkeit wird so immer weniger trainiert und die Abhängigkeit von anderen Anwendungen wird groß. Das hat langfristig Auswirkungen, besonders wenn schon Kinder/ Jugendliche schon im frühen Alter grundlegende Denkprozess auslagern.

Aber warum lagen wir Denkprozesse gerne aus?

Der Psychologe Dr. Daniel Kahnemann greift hierbei auf das Modell der zwei Denkmodi System 1 und System 2 zurück.

System 1 ist schnell, intuitiv und automatisiert. Es greift auf bekannte Muster zurück, um Informationen schnell zu verarbeiten – etwa beim Erkennen eines vertrauten Gesichts. Dieses System spart Energie und steuert unbewusste Prozesse wie das Nervensystem. Komplexe Aufgaben, die nicht mithilfe von bekannten Mustern verarbeitet werden können, werden an System 2 weitergeleitet. Dieses arbeitet langsamer, analytisch und erfordert Anstrengung, etwa beim Lösen eines mathematischen Problems.

Das Gehirn bevorzugt System 1, da es weniger Energie verbraucht. Diese Tendenz zur kognitiven Effizient wird oft als „Cognitive Laziness“ (kognitive Trägheit) bezeichnet. Neue Zusammenhänge zu lernen, ist für System 2 anstrengend und zeitintensiv.

Der Einsatz von KI verstärkt diese Tendenz: Aufgaben, die System 2 erfordern würden, werden häufig an KI-Tools abgegeben. Das spart Zeit und mentale Ressourcen. Diese Entwicklung birgt jedoch auch Risiken. Wenn komplexe Denkprozesse regelmäßig an KI ausgelagert werden, werden Fähigkeiten wie kritisches Denken vernachlässigt.

Tipps für einen gesunden Umgang mit KI

  • Erst selbst nachdenken, dann KI nutzen: Formulieren Sie Ihre Gedanken zunächst immer selbst- egal ob im Arbeits- oder Lernkontext. So wird Ihr Gehirn gefordert und Sie lernen nachhaltiger. Außerdem werden Ihre Ergebnisse sehr wahrscheinlich origineller.
  • KI gezielt zur Effizienzsteigerung einsetzen: Verwenden Sie KI für Routinetätigkeiten wie Routinemails, Zusammenfassungen oder das Erstellen von Standardtexten. Bei strategischen oder kreativen Aufgaben sollten Sie zunächst selbst Überlegungen anstellen und KI zur Optimierung verwenden.
  • Problemlösekompetenz fördern: Gehen Sie alltägliche Herausforderungen im ersten Schritt ohne digitale Hilfsmittel an. So wird das kritische Denken gestärkt. Digitale Tools sollten reflektiert eingesetzt werden, um den eigenen Denkprozess zu unterstützen, aber nicht zu ersetzen – unabhängig vom Alter.

Fazit

KI macht das Leben leichter – keine Frage. Sie nimmt uns lästige Aufgaben ab, spart Zeit und liefert oft erstaunlich gute Ergebnisse. Aber genau darin liegt auch die Gefahr: Je mehr wir unser Denken und Erinnern an Algorithmen auslagern, desto weniger fordern wir unser eigenes Gehirn heraus. Die Folge? Weniger Kreativität, weniger kritisches Hinterfragen – und auf Dauer vielleicht sogar ein schwächeres Gedächtnis. Das heißt nicht, dass wir auf KI verzichten sollten. Im Gegenteil: Wer erst selbst nachdenkt und dann die KI gezielt als Werkzeug einsetzt, holt das Beste aus beiden Welten heraus. So bleibt unser Kopf fit und wir nutzen die Vorteile der Technik.

Diese Entwicklung betrifft uns alle: Sie fordert Unternehmen zu verantwortungsvollen Strategien heraus und verlangt von der Gesellschaft einen offenen Diskurs. In der Volkswirtschaft müssen Investitionen in neue Berufsbilder gemacht werden. Eltern müssen soziale Kompetenzen stärken und Schulen sind aufgefordert, kritische Denkfähigkeiten und Medienkompetenz zu fördern. Nur ein bewusstes Handeln auf allen Ebenen sichert eine Zukunft, in der wir von KI profitieren können.

In einer geplanten Blogreihe widmen wir uns den einzelnen Aspekten und zeigen Lösungsansätze sowie spannende Entwicklungen auf. Bleiben Sie dran, um mehr zu erfahren!

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